Home News Verdachtskündigung - was ist zu beachten?

Was ist eine Verdachtskündigung?

Eine Verdachtskündigung liegt - nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 28.11.2007 - 5 AZR 952/06)dann vor, wenn der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Diese Kündigung beruht in der Regel auf verhaltensbedingte Gründe.

Verdachtskündigung und Voraussetzungen

Die Verdachtskündigung kommt in der Praxis eher selten vor. Die Tatkündigung, also eine normale Kündigung, ist viel häufiger anzutreffen. Der Unterschied besteht darin, dass die Verdachtskündigung auf einen dringenden Tatverdacht beruht und der Arbeitgeber die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers nicht nachweisen kann.

Anhörung ist notwendig

Zwingend ist die Anhörung des Arbeitnehmers bei einer Verdachtskündigung. Ohne Anhörung ist die verhaltensbedingte Kündigung unwirksam.

schwere Pflichtverletzung

Eine Verdachtskündigung kommt nicht bei jeder Pflichtverletzung des Arbeitnehmers in Betracht. Insbesondere bei Straftaten, also bei schweren Pflichtverletzungen, ist es möglich, dass der Arbeitgeber eine Verdachtskündigung ausspricht.

dringender Tatverdacht

Wie oben bereits ausgeführt wurde, hat der Arbeitgeber keine sichere Kenntnis und kann also auch nicht nachweisen, dass die Pflichtverletzung vorliegt. Es muss allerdings ein dringender Tatverdacht vorliegen.

stateDiagram-v2 Verdachtskündigung --> Tatverdacht Verdachtskündigung --> Anhörung

Hinweis

Es gibt keine absoluten Kündigungsgründe. Ob eine fristlose Kündigung möglich ist, hängt immer vom Einzelfall ab.

Das Wichtigste zum Thema Verdachtskündigung vorab

Die Verdachtskündigung ...

  • setzt einen dringenden Tatverdacht und eine vorherige Anhörung voraus,
  • kommt nur bei schweren Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers in Betracht,
  • kann sowohl außerordentlich als auch ordentlich erfolgen,
  • muss nicht als solche im Kündigungsschreiben bezeichnet werden und
  • kann mit der Kündigungsschutzklage angegriffen werden.

Voraussetzungen der Kündigung wegen des Verdachts einer schweren Pflichtverletzung

Kündigung bei Verdacht
Da die Kündigung nur auf einen Tatverdacht beruht, sind strenge Anforderungen daran zu stellen, um möglichst zu verhindern, dass kein unschuldiger Arbeitnehmer davon betroffen ist. Der Arbeitgeber muss von daher sorgfältig prüfen, ob die Voraussetzungen dieser Kündigung vorliegen. Insbesondere muss er alles tun, um den Sachverhalt zumutbar zu erforschen und darf nicht vorschnell die Kündigung aussprechen.

Dabei ist die Anhörung des Arbeitnehmers zwingend zu beachten. Dieser muss die Möglichkeit haben, sich von den Vorwürfen zu äußern.


Die Voraussetzungen - Schema einer Prüfung - einer Verdachtskündigung sind folgende:

  • Verdacht einer Straftat oder schwere Pflichtverletzung
  • Verdacht basiert auf konkrete, objektive Tatsachen (dringender Verdacht)
  • die Verdachtsmomente sind geeignet, das Vertrauen zu zerstören
  • Sachverhalt wurde ausreichend aufgeklärt
  • Arbeitnehmer wurde angehört oder wirksam zur Anhörung geladen

Hinweis

Die Anhörung des Arbeitnehmers ist zwingend bei der Kündigung wegen des Verdachts einer Straftat. Zumindest muss dem Arbeitnehmer die Möglichkeit der Äußerung zu den Vorwürfen gegeben werden.

Welche Pflichtverletzungen kommen in Betracht?

Um eine Kündigung auszusprechen, die nur auf den Verdacht einer schweren Pflichtverletzung beruht, kommen vor allem Straftaten im Arbeitsverhältnis in Betracht, wie

  • Diebstahl von Firmeneigentum
  • Unterschlagung von Betriebseigentum
  • Arbeitszeitbetrug
  • schwere Beleidigung von Arbeitskollegen oder Vorgesetzte
  • sexuelle Belästigung

Straftaten im privaten Bereich

Bei Straftaten im privaten Bereich des Arbeitnehmers ist es schwieriger für den Arbeitgeber ohne vorherige Abmahnung das Arbeitsverhältnis zu beenden. Die Straftat muss, damit eine Kündigung hier möglich erscheint, einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben."Private Straftaten" können das Arbeitsverhältnis belasten, indem sie ernsthafte Zweifel an der Zuverlässigkeit oder der Eignung des Arbeitnehmers für die von ihm zu verrichtende Tätigkeit begründen.

Hinweis

Bei außerdienstlichen Straftaten ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber weitaus schwieriger.

Was ist bei der Anhörung des Arbeitnehmers zu beachten?

Ohne die Möglichkeit der Anhörung ist die Verdachtskündigung unwirksam. Der Anhörung kommt von daher eine große Bedeutung zu.

Ladung zur Anhörung

Der Arbeitnehmer muss schon im Ladungsschreiben den Themenkreis zumindest greifbar machen. Der Arbeitnehmer muss wissen, dass er wegen einer schweren Pflichtverletzung angehört wird und die Kündigung droht. Der Hintergrund ist, dass der Arbeitnehmer die Ernsthaftigkeit des Gespräches einschätzen kann und so auch in Betracht ziehen kann, ob er eine dritte Person (Betriebsrat oder Anwalt) hinzuzieht.


Zum Beispiel:

"Anhörung wegen einer beabsichtigten Kündigung wegen des Verdachts des Arbeitszeitbetrugs im Zeitraum vom 1. bis zum 15. September 2023"


Inhalt der Anhörung

Der Arbeitnehmer muss in der Anhörung die Möglichkeit erhalten, die Verdachtsgründe zu entkräften und Entlastungstatsachen anzuführen. Die Anhörung zu den Vorwürfen ist keine bloße Formalität auf dem Weg zur verhaltensbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber. Sie dient der auch der Sachverhaltsaufklärung.

Umfang der Anhörung

Der erforderliche Umfang der Anhörung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und den Zweck der Aufklärung. Der Arbeitgeber muss alle erheblichen Umstände angeben, aus denen er einen Verdacht gegen den Arbeitnehmer ableitet. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben dazu Stellung zu nehmen und den Vorwurf zu entkräften.

Beispiele

Anbei einige Beispiele von Entscheidungen zur Frage, ob eine Straftat eine Kündigung rechtfertigt.

StraftatBezug zur ArbeitKündigungGericht
Versuchtes SprengstoffvergehenaußerdienstlichKündigung unwirksamLAG Düsseldorf, Urteil vom 12.04.2018 - 11 Sa 319/17
DiebstahlaußerdienstlichKündigung wirksamLandesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 09.05.1996, Az.: 10 Sa 22/96
Unterschlagungwährend ArbeitKündgung wirksamLandesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.12.2003, Az.: 7 Sa 898/02

Wie kann man sich gegen die Kündigung des Arbeitgebers wehren?

Gegen jede Kündigung des Arbeitgebers kann sich der Arbeitnehmer mittels Kündigungsschutzklage wehren.

Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht

Ob dies sinnvoll ist, sollte der Arbeitnehmer durch eine Beratung beim Fachanwalt für Arbeitsrecht klären. In der Regel kann man sagen, dass es fast immer Sinn macht gegen eine Kündigung des Arbeitgebers vorzugehen, zwar nicht immer über einen Rechtsanwalt, aber zumindest über die Rechtsantragstelle beim Arbeitsgericht hatte Arbeitnehmer nicht viel zu verlieren, wenn er gegen die Kündigung vorgeht.

§ 626 Bürgerliches Gesetzbuch

§ 626 BGB Gesetzestext

§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

  • (1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

  • (2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Entscheidung des Landesarebeitsgerichts Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.03.2012 – 10 Sa 2272/11 - Anforderungen an Anhörung des Arbeitnehmers und Einladung zur Anhörung

Urteil des LAG zur Anhörung wegen Straftat

  • Die Ladung zur Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung muss den Gegenstand des Gespräches beinhalten und den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen.

  • Bei der Anhörung handele es sich nicht nur um eine bloße Formalie, sondern die Anhörung diene der Aufklärung des Sachverhalts. Die Anhörung der Klägerin solle dieser die Möglichkeit geben, den gegen sie bestehenden Verdacht zu entkräften. Dieses setze sowohl die Benennung konkreter Anhaltspunkte eines bestimmten Verdachtes strafbaren oder jedenfalls vertragswidrigen Verhaltens als auch die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes voraus. Die Beklagte habe die Klägerin nicht vorab über das Thema des Gespräches informiert und ihr auch nicht die Möglichkeit eingeräumt, eine Person ihres Vertrauens geschweige denn ein Betriebsratsmitglied oder einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen. Die Klägerin habe auf sich alleine gestellt vier vorgesetzten Personen gegenüber gestanden, deren Anliegen es offensichtlich nicht gewesen sei, unvoreingenommen den Sachverhalt aufzuklären, sondern lediglich formal dem Anhörungserfordernis genüge zu tun. Von einer angemessenen Anhörung ohne Vorliegen einer "Drucksituation" könne nicht ausgegangen werden.

Kündigung oder Abmahnung

Für Fragen zum Arbeitsrecht stehe ich Ihnen gern als Fachanwalt für Arbeitsrecht mit Kanzlei in Berlin Prenzlauer Berg/Pankow vor allen bei der Erhebung von Kündigungsschutzklagen zur Verfügung!

Rechtsanwalt Andreas Martin


FAQ zur Kündigung wegen Verdachts einer Pflichtverletzung

Was ist eine Verdachtskündigung?

Eine Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Sowohl der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beenden als auch der Arbeitgeber.

Welche Arten von Kündigungen unterscheidet man?

Eine Kündigung kann mit ordentlicher Frist erfolgen. (sogenannte ordentliche Kündigung) oder außerordentlich und fristlos (sogenannte außerordentliche Kündigung).

Was ist der Unterschied zur Tatkündigung?

Die Verdachtskündigung beruht auf einen dringenden Verdacht, aber keinem sicheren Wissen. Die Tatkündigung beruht auf den Vorwurf einer begangenen Pflichtverletzung, die der Arbeitgeber - beim Bestreiten - darlegen und nachweisen muss. Die Verdachtskündigung steht zur Tatkündigung nicht in einem maior-minus-Verhältnis, es handelt sich vielmehr um ein aliud zur Tatkündigung.

Muss eine Anhörung zwingend erfolgen?

Ja, eine Verdachtskündigung ohne Anhörung des Arbeitnehmers ist unwirksam. Es sei denn, dass der Arbeitnehmer ordnunsgemäß zum Anhörungstermin geladen wurde und diese Möglichkeit nicht wahrgenommen hat. Das Anhörungsschreiben muss dabei genau klarstellen, dass es um die Kündigung geht.

Kann man eine Kündigung zurücknehmen?

Nein. Dies geht nicht. Eine Kündigung ist ein Gestaltungsrecht, das nicht zurückgenommen werden kann. Der Arbeitgeber kann allenfalls dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen anbieten. Wenn der Arbeitnehmer dieses Angebot annimmt, dann wird das Arbeitsverhältnis fortgesetzt.

Haben Arbeitnehmer und Arbeitgeber die gleichen Kündigungsfristen?

Nein, nur die Grundkündigungsfrist (4 Wochen zum Monatsende oder zum 15.) und die Frist für die Kündigung in der Probezeit sind für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleich lang. Ab einer Beschäftigungsdauer von 2 Jahren verlängert sich dann nur für die Kündigung durch den Arbeitgeber die Kündigungsfrist, während für den Arbeitnehmer die Frist gleich bleibt.

Welche Form ist für die Kündigung vorgeschrieben?

Die Kündigung muss schriftlich erfolgen. So steht dies im § 623 BGB.

Kann eine Kündigung auch elektronisch erfolgen?

Nein, das Gesetz schreibt für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eindeutig die Schriftform vor. Die elektronische Form (E-Mail etc) ist ausgeschlossen.

Ist eine Kündigung per WhatsApp zulässig?

Nein, eine Kündigung per WhatsApp ist nicht möglich, da diese nicht die Schriftform wahrt. Eine solche Kündigung ist nichtig.