Personenbedingte Kündigung: Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen müssen
Die personenbedingte Kündigung ist eine besondere Form der ordentlichen Kündigung im deutschen Arbeitsrecht.
Kündigung und Kündigungsschutzgesetz
Der Arbeitgeber braucht für eine ordentliche Kündigung einen personenbedingten Grund, wenn auf das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Im Kleinbetrieb oder in der Probezeit (Wartezeit) braucht der Arbeitgeber überhaupt keinen Kündigungsgrund.
personenbedingte Kündigungsgründe
Die Kündigung aus personenbedingten Gründen kommt zur Anwendung, wenn ein Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung dauerhaft nicht mehr erbringen kann – und zwar aus persönlichen Gründen, wie etwa gesundheitlichen Einschränkungen.
Fehlverhalten und Vorwerfbarkeit nicht erforderlich
Anders als bei verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigungen liegt hier kein Fehlverhalten vor, sondern eine objektive, oft nicht steuerbare Beeinträchtigung. Der rechtliche Rahmen ist komplex, die Anforderungen sind hoch.
Personenbedingte Kündigungen basieren auf Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen
Der Hauptfall ist die krankheitsbedingte Kündigung
Typische Fälle sind Langzeiterkrankungen, häufige Kurzzeiterkrankungen oder der Verlust der Fahrerlaubnis
Eine Abmahnung ist nicht erforderlich
Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist bei einer krankheitsbedingten Kündigung wichtig
Arbeitnehmer können gegen die Kündigung des Arbeitgebers Kündigungsschutzklage erheben
Voraussetzungen für eine personenbedingte Kündigung
Für eine wirksame personenbedingte Kündigung müssen vier zentrale Voraussetzungen erfüllt sein:
Negative Zukunftsprognose: Der Arbeitgeber muss darlegen können, dass der Arbeitnehmer voraussichtlich auch künftig nicht in der Lage sein wird, seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen.
Erhebliche Beeinträchtigung: Die Arbeitsunfähigkeit muss zu einer erheblichen Störung des Betriebsablaufs oder der Arbeitsorganisation führen.
Keine anderweitige Einsatzmöglichkeit: Der Arbeitgeber muss prüfen, ob eine Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz möglich ist – erst wenn dies ausscheidet, kann eine Kündigung in Betracht gezogen werden.
Interessenabwägung: Abschließend ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter des Arbeitnehmers und seine Unterhaltspflichten zu berücksichtigen.
Ohne das Vorliegen dieser Kriterien ist eine personenbedingte Kündigung unwirksam. Der Arbeitgeber muss im Kündigungsschutzprozess diese Voraussetzungen darlegen und notfalls auch beweisen.
Hinweis
Vor Ausspruch einer Kündigung sollte stets durch den Arbeitgeber geprüft werden, ob mildere Mittel – etwa eine Versetzung – möglich sind.
Personenbedingte Kündigung bei Krankheit – ein Praxisbeispiel
Ein häufiger Anwendungsfall ist die personenbedingte Kündigung aufgrund einer Langzeiterkrankung. Dabei reicht es nicht, dass ein Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum krankgeschrieben ist. Vielmehr muss eine negative Gesundheitsprognose bestehen, die besagt, dass eine Rückkehr an den Arbeitsplatz auch in Zukunft nicht zu erwarten ist.
Beispiel
Ein Arbeitnehmer ist über Monate hinweg krankheitsbedingt abwesend. Die ärztliche Prognose ist negativ, und auch ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) führt zu keinem Ergebnis. Zudem ist eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz ausgeschlossen. In einem solchen Fall kann die personenbedingte Kündigung rechtlich zulässig sein – vorausgesetzt, alle Anforderungen wurden eingehalten.
BEM- das betriebliche Eingliederungsmanagement
Das BEM spielt hier eine zentrale Rolle. Zwar besteht keine gesetzliche Pflicht zur Durchführung, doch das Fehlen kann die Wirksamkeit der Kündigung gefährden.
Hinweis
Ein unterlassenes BEM kann vor Gericht als Indiz gegen die Verhältnismäßigkeit der Kündigung gewertet werden. In diesem Fall hat der Arbeitgeber schlechte Karten.
Rechte des Arbeitnehmers und Unterschiede zu anderen Kündigungsarten
Arbeitnehmer, die eine personenbedingte Kündigung erhalten, sollten (fast immer):
binnen drei Wochen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen und
sich vorher anwaltlich beraten lassen.
Nach Ablauf der 3-Wochen-Frist hat der Arbeitnehmer keine große Chance mehr auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Egal, ob der Arbeitnehmer eine Abfindung oder eine Weiterbeschäftigung möchte. Die richtige Klageart ist immer die Kündigungsschutzklage.
Abmahnung erforderlich?
Im Gegensatz zur verhaltensbedingten Kündigung ist eine Abmahnung nicht notwendig, da das Verhalten des Arbeitnehmers nicht steuerbar ist. Zudem steht nicht das Verschulden im Vordergrund, sondern eine objektive Leistungseinschränkung.
Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers?
Ein direkter (gesetzlicher) Anspruch des gekündigten Arbeitnehmers auf Abfindung besteht nicht. In der Praxis kommt es jedoch häufig zu einer einvernehmlichen Lösung im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs nach Erhebung der Kündigungsschutzklage.
Aufhebungsvertrag
Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags ggfs. mit Abfindungszahlung ist oft für den Arbeitnehmer der falsche Weg, da hier eine Sperre beim Bezug des Arbeitslosengeldes droht.
Hinweis
Arbeitnehmer sollten die Kündigung immer anwaltlich prüfen lassen – oft bestehen gute Chancen auf eine Einigung oder Weiterbeschäftigung. Dazu muss aber rechtzeitig die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht werden.
So unterscheiden sich personenbedingte und verhaltensbedingte Kündigung
Kriterium
Personenbedingte Kündigung
Verhaltensbedingte Kündigung
Ursache
In der Person (z. B. Krankheit)
Fehlverhalten (z. B. Zuspätkommen)
Abmahnung nötig?
Nein
Ja, in der Regel erforderlich
Steuerbar durch Arbeitnehmer?
Nein
Ja
Prognose relevant?
Ja
Meist nicht
Checkliste für Arbeitgeber
Arbeitgeber sollten vor Ausspruch einer personenbedingten Kündigung folgende Punkte beachten:
Arbeitnehmer, die eine personenbedingte Kündigung erhalten haben, sollten:
Die Kündigung rechtlich durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen lassen
Innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage erheben
AU-Zeiten und dazugehörige Krankheiten erfassen
liegt eine Ausheilung von Krankheiten vor
negative Gesundheitsprognose wiederlegen
Hinweis
Im Falle einer personenbedingten Kündigung ist schnelles Handeln entscheidend – die Drei-Wochen-Frist für die Klage ist zwingend.
§ 1 KSchG
§ 1 KSchG
Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.
BAG, BAG, Urteil vom 20.03.2014 – 2 AZR 565/12
Personenbedingte Kündigung wegen Alkoholerkrankung
Leitsatz: Lehnt ein alkoholabhängiger Arbeitnehmer eine Entziehungskur oder Therapie ab, kann der Arbeitgeber regelmäßig von einer dauerhaft negativen Gesundheitsprognose ausgehen.
Im zugrunde liegenden Fall hatte ein als Hofarbeiter beschäftigter Arbeitnehmer trotz eines betrieblichen Alkoholverbots mehrfach alkoholisiert am Arbeitsplatz Fahrzeuge geführt. Eine begonnene Entziehungskur brach er nach zwei Monaten ab. Auch danach traten weitere Pflichtverstöße auf – u. a. verursachte er unter Alkoholeinfluss einen Unfall mit einem Firmenfahrzeug. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin personen- und verhaltensbedingt.
Das Bundesarbeitsgericht hielt die personenbedingte Kündigung für sozial gerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 KSchG. Entscheidend war, dass der Arbeitnehmer nicht therapiebereit war und sich trotz mehrerer Vorfälle keiner erfolgreichen Behandlung unterzog. Eine spätere, stationäre Behandlung änderte daran nichts, da unklar blieb, ob sie zur Alkoholentwöhnung geeignet war.
Praxisrelevanz: Für die negative Zukunftsprognose kommt es nicht primär auf Fehlzeiten an, sondern auf die Frage, ob die gesundheitliche Beeinträchtigung künftig weiterhin die Arbeitsfähigkeit einschränkt. Insbesondere bei fehlender Therapiebereitschaft darf von einer negativen Prognose ausgegangen werden.
Hinweis:
Unterzieht sich der Arbeitnehmer nach Kündigung erfolgreich einer Therapie, kann unter Umständen ein Wiedereinstellungsanspruch bestehen – die Hürden hierfür sind jedoch hoch.
FAQ zur Kündigung aus personenbedingten Gründen
Was ist eine Kündigung?
Eine Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung.
Sowohl der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beenden als auch der Arbeitgeber.
Welche Arten von Kündigungen unterscheidet man?
Eine Kündigung kann mit ordentlicher Frist erfolgen.
(sogenannte ordentliche Kündigung) oder außerordentlich und fristlos (sogenannte außerordentliche Kündigung). Daneben gibt es noch die Beendigungskündigung (Normalfall) und die sog. Änderungskündigung.
Was ist eine personenbedingte Kündigung genau?
Eine personenbedingte Kündigung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen in seiner Person – etwa einer dauerhaften Erkrankung – nicht mehr in der Lage ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Es handelt sich um eine Form der ordentlichen Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG.
Kann ich gegen eine personenbedingte Kündigung klagen?
Ja, Arbeitnehmer können innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben. Das Gericht prüft dann, ob die Voraussetzungen für die Kündigung tatsächlich vorliegen. Liegen die Kündigungsvoraussetzungen nicht vor, dann urteilt das Gericht, dass die Kündigung nicht das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat.
Ist ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) verpflichtend?
Ein BEM ist nicht zwingend Voraussetzungen für eine Kündigung aus persönlichen Gründen, aber gesetzlich empfohlen (§ 167 Abs. 2 SGB IX). Wird es unterlassen, obwohl es erforderlich gewesen wäre, kann dies die Kündigung vor Gericht angreifbar machen. Der Arbeitgeber muss dann darlegen und notfalls beweisen, dass das BEM zu keinen für den Arbeitnehmer positiven Ergebnis geführt hätte, also überflüssig war. Dies ist recht schwer.
Wie hoch ist die Abfindung bei personenbedingter Kündigung?
Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung bei einer personenbedingten Kündigung. Häufig wird im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs im Kündigungsschutzverfahren eine Abfindung vereinbart – insbesondere bei unklarer Rechtslage.
Kann ich trotz Krankheit gekündigt werden?
Ja, wenn eine dauerhafte Leistungsunfähigkeit vorliegt und keine Aussicht auf Besserung besteht, kann eine personenbedingte Kündigung rechtlich zulässig sein. Voraussetzung ist u.a. eine negative Gesundheitsprognose und eine sorgfältige Interessenabwägung. Es gibt nach deutschem Arbeitsrecht kein gesetzliches Kündigungsverbot während der Arbeitsunfähigkeit.