Home News Videoüberwachung von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz - erlaubt?

Ist eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz erlaubt?

Die Videoüberwachung von Arbeitnehmern spielt in der Praxis eine nicht unerhebliche Rolle. Arbeitgeber dürfen innerhalb bestimmter Grenzen Kontrollrechte gegenüber Arbeitnehmern ausüben.

offene und verdeckte Videoüberwachung

Die offene und die verdeckte Videoüberwachung sind einige dieser Kontrollrechte, die für den Arbeitgeber meist sehr effektiv sind. Sowohl die offene als auch die verdeckte Videoüberwachung des Arbeitnehmers können erlaubt sein, wobei die offen Überwachung per Video des Arbeitnehmers eher möglich ist als die verdeckte. Welche Überwachungsmaßnahme genau erlaubt ist, hängt vom Einzelfall ab.

stateDiagram-v2 Videoüberwachung --> offen Videoüberwachung --> verdeckt

Achtung

Die offene Videoüberwachung des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz ist grundsätzlich erlaubt.

Welche Kontrollmaßnahmen darf der Arbeitgeber am Arbeitsplatz ausüben?

Videoüberwachung erlaubt?
Der Arbeitgeber darf grundsätzlich den Arbeitnehmer am Arbeitsplatz kontrollieren.

keine grenzenlose Kontrolle

Allerdings geht dies nicht grenzenlos. Je stärker der Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers ist, umso höher sind die Anforderungen für Kontrollmaßnahmen des Arbeitgebers.

Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit

Die einzelne Kontrollmaßnahme muss angemessen sein. Das Bundesarbeitsgericht geht allgemein davon aus, dass Arbeitnehmer Kontrollmaßnahmen dulden müssen, wenn die Maßnahmen zur Begründung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses notwendig sind und keine unverhältnismäßige Belastung darstellen.

Zulässigkeit nach dem Bundesarbeitsgericht

Eine Kontrollmaßnahme als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ist nach dem Bundesarbeitsgericht immer dann zulässig, wenn dies durch das eigene, überwiegende Interessen der Arbeitgeberin gerechtfertigt ist (BAG, Urteil vom 27.07.2017 – 2 AZR 681/16).

denkbare Eingriffsmaßnahmen

Die folgenden Kontrollmaßnahmen sind denkbar, allerdings unter bestimmten Voraussetzungen:

  • Mithören von Telefongesprächen
  • Speichern der Telefondaten
  • Videoüberwachung
  • Taschenkontrollen
  • Überwachung durch Privatdetektiv (Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers)
  • Kontrolle der Internetnutzung
  • Kontrolle eines elektronischen Kalenders
  • Kontrolle der Arbeitszeiterfassung

Achtung

Die Kontrolle des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz unterliegt immer gewissen Schranken und ist nicht grenzenlos.

Welche Arbeitnehmerrechte sind durch die Kontrollen betroffen?

Für alles gibt es Grenzen, so auch für die Kontrollrechte des Arbeitgebers.

Datenschutzregelungen als Schutz

Es ergeben sich Grenzen, die sich aus speziellen Gesetzen ergeben. Dazu zählen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Grundrechte des Arbeitnehmers

Darüber hinaus gibt es allgemeine Grenzen, die die Kontrollrechte des Unternehmens einschränken.

das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers

Zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmer gehören:

  • das Recht auf informationelle Selbstbestimmung,

  • das Recht auf die Vertraulichkeit des Wortes und

  • das Recht am eigenen Bild.

Achtung

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ist zu beachten.

Ist die Videoüberwachung am Arbeitsplatz zulässig?

Eine Videoüberwachung kann zulässig sein. Diese muss erforderlich, angemessen und verhältnismäßig sein.

stateDiagram-v2 Videoüberwachung --> erforderlich Videoüberwachung --> angemessen Videoüberwachung --> verhältnismäßig

offene und verdeckte Überwachung

Unterscheiden muss man zwischen einer offenen Überwachung per Video und einer verdeckten (heimlichen) Überwachung. Hier gibt es erhebliche Unterschiede in der Zulässigkeit und an den Anforderungen.

heimliche und verdeckte Überwachung

Für die heimliche Überwachung braucht der Arbeitgeber nach Art. 23 DSGVO eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Dies kann § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG sein.

EGMR - Entscheidung

In einer aktuellen Entscheidung hat der EGMR festgestellt, dass der berechtigte Verdacht auf das Begehen schwerwiegender Straftaten eine heimliche Videoüberwachung rechtfertigen kann (EGMR, Urteil vom 17.10.2019 – 1874/13).

BAG - Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat die heimliche, verdeckte Videoüberwachung bisher für zulässig erachtet, sofern der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder anderen schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers besteht, mildere Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft wurden und die Videoüberwachung insgesamt verhältnismäßig ist (BAG, Urteil vom 22.9.2016 – 2 AZR 848/15).

Übersicht über Anforderungen einer heimlichen Überwachung

Die verdeckte Überwachung per Video hat also in der Regel folgende Anforderungen an den Arbeitgeber:

  • konkreter Verdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung muss vorliegen
  • anderweitige Aufklärung ist nicht möglich
  • die Überwachung muss ingesamt verhältnismäßig sein

stateDiagram-v2 Videoüberwachung --> Verdacht Videoüberwachung --> Straftat Videoüberwachung --> erforderlich Videoüberwachung --> verhältnismäßig

offene Überwachung

An die offene Überwachung per Video sind geringere Anforderungen zu stellen. Hier ist die Überwachung von öffentlichen Räumen ohne konkreten Tatverdacht möglich Es müssen nur berechtigte Interessen vorliegen.

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrat

Der Einsatz einer Videoüberwachung ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig (BAG, Urteil von 29.06.2004 – 1 ABR 21/03). In der Praxis wird oft mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Videoüberwachung abgeschlossen (vgl. § 77 Abs. 2 BetrVG).

Übersicht


heimliche Überwachungoffene Überwachung
konkreter Tatverdacht erforderlichkonkreter Tatverdacht nicht erforderlich
anderweitige Aufklärung nicht möglichberechtigte Interessen müssen vorliegen
muss verhältnismäßig seinmuss verhältnismäßig sein

Welche Rechtsfolge hat eine unzulässige Videoüberwachung?

Wenn eine Kontrollmaßnahme des Arbeitgebers rechtswidrig ist, hat das weitergehende rechtliche Folgen. Dabei ist zwischen den Konsequenzen einer unrechtmäßigen Datenverarbeitung im Allgemeinen und den Konsequenzen in einem möglichen arbeitsgerichtlichen Verfahren zu unterscheiden.

Datenverarbeitung

Eine unrechtmäßige Übermachungsmaßnahme durch den Arbeitgeber kann zu Unterlassungsansprüchen und datenschutzrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach Art. 82 DSGVO des betroffenen Arbeitnehmers führen. Zusätzlich kann auch die zuständige Datenschutzbehörde nach Art. 83 DSGVO ein Bußgeld verhängen.

Verfahren vor dem Arbeitsgericht

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren stellt sich die Frage nach der gerichtlichen Verwertbarkeit der aus den Kontrollen gewonnen Daten.

Unzulässige Überwachungsmaßnahmen können (müssen dies aber nicht zwangsläufig) zu einem Sachvortragsverbot und einen Beweisverwertungsverbot führen. Dies heißt dann, dass der Arbeitgeber die durch die (unrechtmäßige) Überwachungsmaßnahme gewonnenen Daten nicht im Prozess verwenden darf.


stateDiagram-v2 Unzulässigkeit --> Sachvortragsverbot Unzulässigkeit --> Beweisverwertungsverbot

neue BAG- Entscheidung

Nach einer aktuellen Entscheidung des BAG - siehe unten - ist eine offene Videoüberwachung grundsätzlich zulässig. Selbst bei einem datenschutzrechtlichen Verstoß können die gewonnenen Daten noch im Prozess verwendet werden, wenn der Arbeitnehmer hier eine vorsätzliche Straftat begangen hat.

Hinweis

Die Tendenz in der Rechtsprechung ist klar zur Rechtmäßigkeit einer offenen Videoüberwachung auch aus präventiven Gründen.

§ 26 Abs. 1 und Abs. 2 BDSG

§ 26 BDSG

§ 26 Abs. 1 und 2 BDSG - Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses

(1) Personenbezogene Daten von Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung oder zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz oder einem Tarifvertrag, einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (Kollektivvereinbarung) ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten nur dann verarbeitet werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass die betroffene Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Verarbeitung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse der oder des Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.


(2) Erfolgt die Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten auf der Grundlage einer Einwilligung, so sind für die Beurteilung der Freiwilligkeit der Einwilligung insbesondere die im Beschäftigungsverhältnis bestehende Abhängigkeit der beschäftigten Person sowie die Umstände, unter denen die Einwilligung erteilt worden ist, zu berücksichtigen. Freiwilligkeit kann insbesondere vorliegen, wenn für die beschäftigte Person ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil erreicht wird oder Arbeitgeber und beschäftigte Person gleichgelagerte Interessen verfolgen. Die Einwilligung hat schriftlich oder elektronisch zu erfolgen, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. 4Der Arbeitgeber hat die beschäftigte Person über den Zweck der Datenverarbeitung und über ihr Widerrufsrecht nach Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 in Textform aufzuklären.

Urteil - Entscheidung des Bundesarbeitsgericht zur offenen Videoüberwachung - BAG, Urteil vom 29. Juni 2023 – 2 AZR 296/22

Videoüberwachung - Urteil des BAG

Das BAG führte in seiner Pressemitteilung (Nr. 31/23 vom 29.06.2023) zunächst aus:

  • In einem Kündigungsschutzprozess besteht grundsätzlich kein Verwertungsverbot in Bezug auf solche Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Das gilt auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht.

  • "Dabei spielt es keine Rolle, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprach. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, wäre eine Verarbeitung der betreffenden personenbezogenen Daten des Klägers durch die Gerichte für Arbeitssachen nach der DSGVO nicht ausgeschlossen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Datenerhebung wie hier offen erfolgt und vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers in Rede steht. In einem solchen Fall ist es grundsätzlich irrelevant, wie lange der Arbeitgeber mit der erstmaligen Einsichtnahme in das Bildmaterial zugewartet und es bis dahin vorgehalten hat. Der Senat konnte offenlassen, ob ausnahmsweise aus Gründen der Generalprävention ein Verwertungsverbot in Bezug auf vorsätzliche Pflichtverstöße in Betracht kommt, wenn die offene Überwachungsmaßnahme eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstellt. Das war vorliegend nicht der Fall."

Beratung zum Thema Arbeitsrecht durch Fachanwalt für Arbeitsrecht

Für Fragen zum Arbeitsrecht stehe ich Ihnen gern als Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin mit Kanzlei Prenzlauer Berg/ Pankow zur Verfügung!

Rechtsanwalt Andreas Martin

FAQ - Häufige Fragen und Antworten zur Videoüberwachung im Arbeitsplatz

Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer am Arbeitsplatz per Video überwachen?

Der Arbeitgeber darf dies, wenn ein Schutzinteresse für den Arbeitgeber besteht. Dies ist in der Regel der Fall, wenn der Verdacht der Begehung von Straftaten durch Arbeitnehmer besteht. Die Überwachung ist mit dem Betriebsrat abzustimmen. Bestimmte Bereiche dürften per se nicht überwacht werden (Toiletten/ Pausenräume).

Welche Art der Videoüberwachung ist für den Arbeitgeber problematisch?

Die verdeckte Überwachung des Arbeitnehmers per Video ist für den Arbeitgeber schwieriger durchzusetzen. Diese kann nur letztes Mittel sein, wenn der Verdacht einer Straftat besteht und andere Aufklärungsmöglichkeiten nichts gebracht haben.

Was ist die Folge, wenn der die Überwachung des Arbeitnehmers rechtswidrig war?

Bei eine rechtswidrigen Videoüberwachung ist diese in einem Prozess, zum Beispiel in einem Kündigungsschutzprozess, nicht verwertbar. Es besteht dann ein Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot für den Arbeitgeber. Dies hat zum Beispiel das Bundesarbeitsgericht im sog. Keylogger-Fall entschieden.

Muss der Betriebsrat beteiligt werden?

Der Einsatz einer Videoüberwachung im Betrieb ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Der Betriebsrat ist hier zu beteiligen.