Was ist eine arbeitsrechtliche Rückzahlungsvereinbarung?
Rückzahlungsvereinbarungen findet man häufig in Weiterbildungsverträgen, welche nicht selten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber abgeschlossen werden. Der Arbeitgeber finanziert eine Fortbildung des Arbeitnehmers und der Arbeitnehmer verpflichtet sich in der Rückzahlungsklausel zur Rückzahlung der Weiterbildungskosten für den Fall, dass er innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nach Abschluss der Fortbildung die Firma verlässt.
Die Zahlungsvereinbarung soll sicherstellen, dass der Arbeitgeber die Arbeitskraft des Arbeitnehmers nach der Fortbildung noch nutzen kann.
Was ist der Sinn und Zweck von Rückzahlungsklauseln
Wird die Fortbildung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber finanziert, so möchte der Arbeitgeber aus der höheren Qualifikation seines Arbeitnehmers nach der Beendigung der Weiterbildung noch möglichst lang einen Nutzen ziehen.
Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb
Der Arbeitgeber investiert Geld in die Weiterbildung und möchte nun möglichst lange die Arbeitskraft des Arbeitnehmer (mit der höheren Qualifikation) nutzen. Hierfür gibt es nicht nur die Vereinbarung eines Weiterbildungsvertrag mit entsprechender Klausel über die Rückzahlung der Fortbildungskosten bei Kündigung des Arbeitnehmers.
andere Möglichkeiten den Arbeitnehmer zu binden
Es gibt auch noch andere Möglichkeiten den Arbeitnehmer nach einer Fortbildung an den Betrieb zu binden. Dies geht sowohl über eine Befristung unter Ausschluss der ordentlichen Kündigung als auch über ein Arbeitgeberdarlehen für die Weiterbildungsmaßnahme.
Sind Forbildungsvereinbarungen rechtlich zulässig?
Soweit der Arbeitgeber nicht bereits aufgrund Gesetz oder Tarifvertrag (ggfs. auch Betriebsvereinbarung) zu Schulungsmaßnahmen des Arbeitnehmers verpflichtet ist, sind Rückzahlungsvereinbarungen bei Fortbildungsverträgen grundsätzlich zulässig. Nur bei Berufsausbildungsverhältnissen ist eine Erstattungspflicht gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG ausgeschlossen.
Prüfung, wie AGB
Die Rechtsprechung prüft Vereinbarungen über die Fortbildung von Arbeitnehmers sehr streng und zwar, wie eine Vereinbarung über allgemeine Geschäftsbedingungen.
Welche Klauseln in Bezug auf die Rückzahlung von Fortbildungskosten sind unwirksam?
Nachfolgend sind einige Fälle von unwirksamen Regelung aufgeführt.
unwirksame Vereinbarungen
Rückzahlung
Entscheidung / Regelung
gar keine Vereinbarung liegt vor
keine Rückzahlung
Vereinbarung erst nach Beginn der Fortbildung
keine Rückzahlung
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.8.2019 – 3 Sa 67/19
Vereinbarung im Ausbildungsverhältnis
keine Rückzahlung
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG
pauschale Vereinbarung im Arbeitsvertrag
keine Rückzahlung
Arbeitgeber ist zur Weiterbildung verpflichtet
keine Rückzahlung
Fortbildung anderweitig nicht nutzbar
keine Rückzahlung
BAG, Urteil vom 14.01.2009 - 3 AZR 900/07
Weiterbildung bringt keinen geldwerten Vorteil
keine Rückzahlung
BAG, Urteil vom 18.11.2008 – 3 AZR 192/07
Klausel ist nicht klar formuliert
keine Rückzahlung
BAG, Urteil vom 21.08.2012 - AZR 698/10
betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung
keine Rückzahlung
personenbedingte Arbeitgeberkündigung
keine Rückzahlung
krankheitsbedingte Eigenkündigung ist nicht ausgenommen
keine Rückzahlung
BAG, Urteil vom 1.3.2022 – 9 AZR 260/21
keine Unterscheidung nach Grund für Kündigung
keine Rückzahlung
BAG, Urteil vom 28.05.2013 - 3 AZR 103/12
keine Einhaltung der vom BAG festgesetzten Bindungsfristen
keine Rückzahlung
BAG, Urteil vom 14.01.2009 - 3 AZR 900/07
Achtung
Oft sind Klauseln auf Rückzahlung von Weiterbildungskosten bei Kündigung durch den Arbeitnehmer unwirksam.
Wie lange darf der Arbeitnehmer nach der Fortbildung an den Betrieb gebunden werden?
Die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung des Arbeitnehmers an das Unternehmen durch die Rückzahlungsklausel im Weiterbildungsvertrag müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.
Vorgaben zur Bindungsdauer durch das BAG
Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 14.01.2009 - 3 AZR 900/07) hat Grundsätze aufgestellt, wie lange der Arbeitnehmer nach der durchgeführten Schulungsmaßnahme im Betrieb noch tätig sein muss ohne einer Rückzahlung der Fortbildungskosten ausgesetzt zu sein. Die Bindungsfristen sind abhängig von der Dauer der Fortbildungsmaßnahme.
maximale Bindungsfristen nach dem Bundesarbeitsgericht
Fortbildungsdauer
Bindungsdauer
bis 1 Monat
bis zu 6 Monate
bis 2 Monate
bis zu 12 Monate
bis 4 Monate
bis zu 24 Monate
6 bis 12 Monate
bis zu 36 Monate
mehr als 2 Jahre
bis zu 5 Jahre
Hinweis
Abweichungen von den obigen Fristen sind jedoch möglich. Auch kann eine längere Bindung des Arbeitnehmers gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber ganz erhebliche finanzielle Mittel aufwendet hat oder die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer überdurchschnittlich große Vorteile bringt.
Was sind die Folgen einer unwirksamen Vereinbarung?
Die Rechtsfolgen einer unwirksamen Rückzahlungsvereinbarung bestimmen sich nach § 306 BGB. Gibt der Arbeitgeber eine zu lange Bindungsdauer vor, ist die daran geknüpfte Rückzahlungsklausel grundsätzlich insgesamt unwirksam. Dies heißt, dass sofern die Vereinbarung der Rückzahlung unwirksam ist, ist die Klausel in Regel insgesamt unwirksam (es sei denn es entsteht eine Regelungslücke, die durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden kann), was in der Regel zur Folge hat, dass die Ausbildungskosten nicht zurückzuzahlen sind.
zu lange Bindungsdauer
Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber eine zu lange Bindungsdauer vorgibt. Dann ist die daran geknüpfte Rückzahlungsklausel grundsätzlich insgesamt unwirksam.
Beratung zum Thema Arbeitsrecht durch Fachanwalt für Arbeitsrecht
Entscheidung des Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1.3.2022 – 9 AZR 260/21
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass eine Rückzahlungsklausel bei Eigenkündigung eines Arbeitnehmer insgesamt unwirksam ist, wenn hiervon nicht ausdrücklich die Eigenkündigung wegen Arbeitsunfähigkeit ausgenommen ist.
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt, dass § 3 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 des Fortbildungsvertrags gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt.
aa) Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers ist nicht nur in Fällen anzunehmen, in denen es der Arbeitnehmer nicht in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen, weil er durch Gründe in der Sphäre des Arbeitgebers – zB durch ein vertragswidriges Verhalten – zu einer Kündigung veranlasst oder mitveranlasst wird. Eine Rückzahlungsklausel ist auch dann unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn sie auch den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, weil es ihm unverschuldet dauerhaft nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichten soll. Auch unter dieser Voraussetzung ist eine Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Rückzahlungsverpflichtung von Fortbildungskosten weder durch billigenswerte Interessen des Arbeitgebers noch durch gleichwertige Vorteile des Arbeitnehmers gerechtfertigt.
(1) Ist der Arbeitnehmer ohne sein Verschulden dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist der arbeitsvertraglich vorgesehene Leistungsaustausch nicht mehr möglich. Damit kann der Arbeitgeber unabhängig von der Kündigung des Arbeitnehmers dessen Qualifikation bis zum Ablauf der Bindungsdauer nicht nutzen (vgl. BAG 18. März 2014 – 9 AZR 545/12 – Rn. 17). An dem Fortbestehen eines nicht mehr erfüllbaren und damit „sinnentleerten“ Arbeitsverhältnisses besteht in der Regel kein billigenswertes Interesse (vgl. zur außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung mit Auslaufrist BAG 14. Januar 2015 – 7 AZR 880/13 – Rn. 46 ff.; 20. März 2014 – 2 AZR 288/13 – Rn. 40). Der Umstand, dass sich die Investition in die Fortbildung eines Arbeitnehmers aufgrund unverschuldeter dauerhafter Leistungsunfähigkeit für ihn nicht amortisiert, ist dem unternehmerischen Risiko zuzurechnen.
FAQ - Häufige Fragen und Antworten zur Klauseln in Arbeitsverträgen
Was sind Fortbildungskosten?
Fortbildungskosten sind finanzielle Aufwendungen des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer, um eine Weiterbildung des Arbeitnehmers zu finanzieren.
Was ist eine Rückzahlungsklausel?
Eine Rückzahlungsklausel bei einer durch den Arbeitgeber finanzierten Weiterbildung soll verhindern, dass der Arbeitgeber die Ausbildungskosten umsonst aufwendet, da der Arbeitnehmer das Unternehmen nach der Fortbildung verlässt. Der Arbeitnehmer muss für den Fall der Eigenkündigung einen Teil der Kosten dem Arbeitgeber erstatten.
Weshalb sind viele Rückzahlungsvereinbarungen unwirksam?
Ein nicht unerheblicher Teil der Rückzahlungsvereinbarungen für die Weiterbildung des Arbeitnehmers sind unwirksam, da solche Klauseln sehr genau formuliert werden müssen. Die Klauseln müssen transparent und verständlich sein und zudem der umfangreichen Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts gerecht werden.
Darf der Arbeitgeber die kompletten Fortbildungskosten verlangen?
Beim Ausscheiden des Arbeitnehmers nach der vom Arbeitgeber bezahlten Weiterbildung kommt es darauf an, wie lange der Arbeitnehmer nach der Weiterbildung noch dem Arbeitgeber zur Verfügung gestanden hat.
Wie lange darf die sog. Bindungsdauer betragen?
Das Bundesarbeitsgericht hat vorgegeben, wie lange die Bindungsdauer des Arbeitnehmers nach einer Fortbildung betragen darf. Diese ist abhängig von der Dauer der Weiterbildungsmaßnahme. Die genauen Vorgaben finden Sie oben im Text.
Für jeden Fall der Vertragsbeendigung muss zurückgezahlt werden?
Nein, eine solche Klausel differenziert nicht nach dem Grund für die Beendigung durch den Arbeitnehmer. Dieser kann ja zum Beispiel aufgrund von Vertragsverletzugnen des Arbeitgebers zur Kündigung genötigt worden sein. Der Arbeitnehmer kann auch unverschuldet krankheitsbedingt gekündigt haben. Auch hier wäre es unbillig von diesem die Kosten der Weiterbildung zurückzufordern.