Abschluss eines Aufhebungsvertrages ohne Bedenkzeit - welche Konsequenzen hat dies?
Nicht selten versuchen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer dazu anzuleiten einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen und setzen diese dann unter Druck, um so den Abschluss der Vertragsaufhebung zu erreichen.
Zeitdruck beim Auflösungsvertrag durch den Arbeitgeber
Oft wird dann von Seiten der Arbeitgeber gesagt, dass man den Auflösungsvertrag nur sofort annehmen könne oder gar nicht. Eine Überlegungsfrist wird dem Arbeitnehmer dann nicht eingeräumt.
Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung
Nicht selten droht der Arbeitnehmer für den Fall der Nichtunterzeichnung des Auflösungsvertrag mit einer außerordentlichen Kündigung. Es stellt sich dann Frage, ob der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag deshalb anfechten kann.
Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sieht grundsätzlich für die Verpflichtung des Arbeitgebers zu einen sogenannten fairen Aushandeln eines Vertrags, also auch eines Auflösungsantrag.
Bundesarbeitsgericht und Gebot des fairen Verhandelns
Sogar in diesem Jahr (2022) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG- Urteil vom 24. Februar 2022 – 6 AZR 333/21) entschieden, dass wenn der Arbeitgeber die Annahme des Aufhebungsvertrages nur sofort erlaubt, also eine Bedenkzeit ausdrücklich nicht einräumt, dass dies ohne weitere Umstände nicht dazu führt, dass gegen das Gebot es fairen Verhandelns von Seiten des Arbeitgebers verstoßen wird.
Auflösungsvertrag ohne Bedenkzeit
Nach der vorstehenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Aufhebungsvertrag, der dem Arbeitnehmer sofort vorgelegt wird und von diesen ohne Einräumung einer Bedenkzeit unterschrieben wird, grundsätzlich wirksam und kann nur in Ausnahmefällen angefochten werden. Der Arbeitgeber muss nach dem BAG also nicht unbedingt dem Arbeitnehmer eine Bedenkzeit vor Abschluss des Auflösungsvertrags einräumen. Dies allein ist also kein ausreichender Anfechtungsgrund für den Arbeitnehmer.
Anfechtung wegen Drohung mit Kündigung
Auch eine Anfechtung wegen Drohung mit einer Kündigung ist nicht so ohne weiteres möglich.
Eine Anfechtung kommt nach dem Bundesarbeitsgericht wegen der Drohung mit einer Kündigung dann in Betracht, wenn in dieser Situation ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen würde (BAG Urteil vom. 28.11.2007, NZA 2008,348). Wenn der Arbeitgeber also mit einer Kündigung droht und überhaupt keine Kündigung durchsetzbar ist, dann ist diese Drohung widerrechtlich und der Arbeitnehmer kann anfechten.
bloßes Ausnutzen einer Zwangslage
Das bloße Ausnutzen einer “seelischen Zwangslage” des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber stellt jedenfalls noch kein Anfechtungsgrund dar.
Unwirksamkeit und Anfechtung eines Aufhebungsvertrags ohne eingeräumte Bedenkzeit?
Interessant ist, dass nun ein einzelnes Arbeitsgericht (Arbeitsgericht Heilbronn - Urteil vom 18.5.2022 - 2 Ca 60/22) dies etwas anders entschieden hat. Allerdings muss man beachten, dass der Fall nicht der war, der vom Bundesarbeitsgericht entschieden wurde. Im Fall den das Arbeitsgericht Heilbronn entschieden hat, ging es darum, dass eine Person, mit einen sehr geringen Intelligenzquotienten keine Bedenkzeit vom Arbeitgeber für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erhalten hatte.
schutzbedürftiger Arbeitnehmer
Nach der Rechtsauffassung des Arbeitsrecht Heilbronn hätte der Arbeitgeber aber grundsätzlich eine Bedenkzeit dem minderbemittelten Arbeitnehmer einräumen müssen, da ein solches Verhalten grundsätzlich gegen den Grundsatz des fairen Verhandelns verstoßen würden. Der Arbeitnehmer war ein Sonderschulabgänger ohne Berufsausbildung und konnte in einer solch kurzen Zeitspanne gar nicht abschätzen, ob der Auflösungsvertrag nun sinnvoll oder überwiegend nachteilig war.
Sonderfall zum sofortigen Abschluss eines Auflösungsvertrag
Zu beachten ist, dass immer noch die Grundsätze des BAG geltend und im Normalfall auch ein Auflösungsvertrag unter Zeitdruck wirksam ist. Nur wenn der Arbeitnehmer besonders schutzbedürftig ist - wie im Fall des Arbeitsgerichts Heilbronn - dann kann sich ein Anfechtungsgrund ergeben.
§ 123 BGB - Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung
§ 123 Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
Verletzung des Gebots der fairen Verhandlung
Ein Aufhebungsvertrag kann unwirksam sein, falls er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 07.02.2019 - 6 AZR 75/18) ist dieses Gebot eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Diese Pflicht trifft auch den Arbeitgeber. Die Nebenpflicht wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert.
Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers
Schafft der Arbeitgeber eine solche Situation hat der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber und ist mit diesem Schadenersatzanspruch so zu stellen, als hätte er den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen. Dies führt im Ergebnis dazu, dass der Arbeitsverhältnis zu den ursprünglichen Bedingungen fortbesteht.
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Hat der Arbeitnehmer in einer solchen Situation einen Auflösungsvertrag geschlossen, sollte er am besten einen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht in Berlin einschalten.
Urteil - Entscheidung des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 18.5.2022 - 2 Ca 60/22
"Das Zustandekommen des Aufhebungsvertrages vom 18.2.2022 verstößt gegen das vom BAG entwickelte Gebot des fairen Verhandelns, welches in den §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB in der Gestalt einer bei der Aufnahme von Vertragsverhandlungen bestehenden Nebenpflicht seine gesetzliche Normierung gefunden hat (BAG v. 7.2.2019 - 6 AZR 75/18).
Denn die Beklagte hat vorliegend die intellektuelle Schwäche des Klägers ausgenutzt, um zum Abschluss des Aufhebungsvertrages zu gelangen. Dabei ist es auch nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger in der Lage gewesen ist, den Sinn der streitgegenständlichen Aufhebungsvereinbarung zu erfassen. Die den Abschluss des Aufhebungsvertrags begleitenden Umstände, die Sozialdaten des Klägers und seine Konstitution führen vielmehr dazu, dass die Beklagte in der vorliegenden Konstellation den Kläger zumindest hätte darauf hinweisen müssen, dass er berechtigt ist, den Abschluss des Aufhebungsvertrages außerhalb der Räumlichkeiten der Beklagten für eine gewisse Zeit nochmals zu überdenken. Dies hätte dem Kläger auch die Möglichkeit eröffnet, ihm nahestehende Außenstehende bzgl. des Entwurfs und seiner Unterzeichnung um Hilfe zu bitten."
FAQ zum Aufhebungsvertrag
Was bedeutet Sperre beim ALG?
Die Sperre beim Arbeitslosgeld bedeutet, dass der Anspruch um den Sperrzeitraum gekürzt wird. Dies führt dazu, dass sich die Bezugsdauer des ALG I verringert."
Wie lang ist die Sperrzeit in der Regel?
Die Sperrzeit beträgt in der Regel 12 Wochen (3 Monate), kann aber auch länger sein.
Wann ist der Abschluss eines Auflösungsvertrags sinnvoll?
Ein Auflösungsvertrag ist für den Arbeitnehmer meist nur dann sinnvoll, wenn der Arbeitnehmer so eine lange Kündigungsfrist umgehen will, da er woanders eine neue Arbeitsstelle gefunden hat, welche er kurzfristig antreten möchte. In einer solchen Situation bietet sich der Aufhebungsvertrag an und eine Sperre beim Arbeitslosengeld ist nicht relevant.
Worin besteht der Unterschied zwischen Aufhebungsvertrag und Abwicklungsvertrag?
Der Aufhebungsvertrag enthält Regelungen über die Beendigung des Arbeitsvertrags. Dieser führt zur Beendigung des Arbeitsverhältnises.
Der Abwicklungsvertrag beendet selbst nicht das Arbeitsverhältnis, sondern regelt allein die Modalitäten eines bereits beendeten Arbeitsvertrags.
Kann man den Auflösungsvertrag auch mündlich schließen?
Nein, ein mündlicher Aufhebungsvertrag ist nichtig, da er gegen das Schriftformgebot des § 623 BGB verstößt.
Ist der Abschluss eines Aufhebungsvertrags fristgebunden?
Nein, die Kündigungsfristen sind nicht zwingend einzuhalten. Der Aufhebungsvertrag kann das Arbeitsverhältnis zu jedem beliebigen Zeitpunkt in der Zukunft und unter Umständen sogar in der Vergangenheit beenden.
Ob dies sinnvoll ist, ist eine andere Frage. Bei Nichtbeachtung der Kündigungsfristen droht dem Arbeitnehmer nämlich eine Sperre beim Arbeitslosengeld.
Muss der Arbeitnehmer das Angebot auf Abschluss des Auflösungsvertrags annehmen?
Nein, der Arbeitnehmer kann nicht vom Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags verlangen.
Der Arbeitnehmer kann dem Arbeitgeber einen solchen Aufhebungsvertrag anbieten. Ob der Arbeitgeber diesen dann unterschreibt und abschließt, ist eine Frage. Er muss es jedenfalls nicht.
Oft erfolgt bei fehlender Annahme dann eine Kündigung des Arbeitsvertrags gegen die sich der Arbeitnehmer aber mittels Kündigungsschutzklage wehren kann.