Home News Aufhebungsvertrag anfechten bei Drohung mit Kündigung?

AUFHEBUNGSVERTRAG- ANFECHTUNG WEGEN DROHUNG MIT KÜNDIGUNG?

Schließt der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag und der Arbeitnehmer unterzeichnet diese nur, weil der Arbeitgeber für den Fall der Nichtunterzeichnung mit einer außerordentlichen Kündigung droht, stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer diesen Aufhebungsvertrag (Muster eines Aufhebungsvertrags finden Sie hier) anfechten kann. Ein Aufhebungsvertrag kann grundsätzlich nach den** allgemeinen Vorschriften** im BGB (§§ 119 ff. BGB) angefochten werden.

Anfechtung eines Aufhebungsvertrags wegen Drohung mit Kündigung durch den Arbeitgeber?

Anfechtung eines Auflösungsvertrags wegen widerrechtlicher Drohung
Die Androhung des Arbeitgebers, dass das Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche und fristlose Kündigung beendet wird, falls der Arbeitnehmer nicht den Aufhebungsvertrag unterzeichnet, stellt in der Regel keinen Anfechtungsgrund für den Arbeitnehmer dar. In bestimmten Fällen ist aber eine möglich.

Bundesarbeitsgericht und Anfechtung eines Auflösungsvertrags

Eine Anfechtung kommt nach dem BAG dann in Betracht, wenn in dieser Situation ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen würde (BAG Urteil vom. 28.11.2007, NZA 2008,348). Wenn der Arbeitgeber also mit einer Kündigung droht und überhaupt keine Kündigung durchsetzbar ist, dann ist diese Drohung widerrechtlich und der Arbeitnehmer kann anfechten.

bloßes Ausnutzen einer Zwangslage

Das bloße Ausnutzen einer “seelischen Zwangslage” des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber stellt jedenfalls noch kein Anfechtungsgrund dar.

Bedenkzeit unbeachtlich bei Drohung

Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer widerrechtlich gedroht, kann der Arbeitnehmer auch dann anfechten, wenn er vom Arbeitgeber eine Bedenkzeit für seine Entscheidung erhalten hat. Lässt sich der Arbeitnehmer aber innerhalb der Bedenkzeit anwaltlich beraten, dann dürfte die Drohung nicht mehr ursächlich für den Abschluss des Auflösungsvertrags gewesen sein.

Drohung mit Kündigung

Von daher ist die Drohung des Arbeitgebers mit einer (ordentlichen) betriebsbedingten Kündigung für den Fall, dass der Arbeitnehmer keinen Auflösungsvertrag möchte, keine widerrechtliche Drohung. Es ist legitim, wenn der Arbeitgeber vor einer ordentlichen Kündigung mit dem Arbeitnehmer über den Abschluss eines Aufhebungsvertrag reden möchte. Dies kann - muss es aber nicht - sogar unter Umständen für den Arbeitnehmer positiv sein, wenn er bereits eine andere Arbeitsstelle in Aussicht hätte.

§ 123 BGB - Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung

Gesetzestext § 123 BGB

§ 123 Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung

  • (1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
  • (2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

Verletzung des Gebots der fairen Verhandlung

Ein Aufhebungsvertrag kann unwirksam sein, falls er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 07.02.2019 - 6 AZR 75/18) ist dieses Gebot eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Diese Pflicht trifft auch den Arbeitgeber. Die Nebenpflicht wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert.

Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers

Schafft der Arbeitgeber eine solche Situation hat der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber und ist mit diesem Schadenersatzanspruch so zu stellen, als hätte er den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen. Dies führt im Ergebnis dazu, dass der Arbeitsverhältnis zu den ursprünglichen Bedingungen fortbesteht.

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Hat der Arbeitnehmer in einer solchen Situation einen Auflösungsvertrag geschlossen, sollte er am besten einen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht in Berlin einschalten.

Urteil - Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.02.2022 - 6 AZR 333/21

BAG Urteil zur Anfechtung eines Aufhebungsvertrags
Ein Aufhebungsvertrag kann unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen sein. Ob das der Fall ist, ist anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig macht, stellt für sich genommen keine Pflichtverletzung gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB dar, auch wenn dies dazu führt, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibt noch der Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen kann.

Ebenso ist das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage der vom Senat in der Entscheidung vom 7. Februar 2019 (- 6 AZR 75/18 -) entwickelten Maßstäbe unter Berücksichtigung des in der Revisionsinstanz nur eingeschränkten Prüfungsumfangs zutreffend zu dem Schluss gekommen, dass die Beklagte nicht unfair verhandelt und dadurch gegen ihre Pflichten aus § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. Die Entscheidungsfreiheit der Klägerin wurde nicht dadurch verletzt, dass die Beklagte den Aufhebungsvertrag entsprechend § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet hat und die Klägerin über die Annahme deswegen sofort entscheiden musste.

Aufhebungsvertrag durch Rechtsanwalt überprüfen lassen

Für Fragen zum Arbeitsrecht stehe ich Ihnen gern als Rechtsanwalt für Arbeitsrecht in Berlin Prenzlauer Berg / Pankow zur Verfügung!

Rechtsanwalt Andreas Martin


FAQ zum Aufhebungsvertrag

Wann ist Anfechtung eines Aufhebungsvertrags sinnvoll?

Den Aufhebungsvertrag sollte man erst nach Beratung durch einen Anwalt, auf dessen Rat hin, anfechten, da die Rechtslage hier recht schwierig ist. Allerdings sollte man nicht allzu lange warten.

Worin besteht der Unterschied zum Abwicklungsvertrag?

Der Auflösungsvertag enthält Erklärungen über die Beendigung des Arbeitsvertrags; er beendet das Arbeitsverhältnis. Der Abwicklungsvertrag beendet selbst nicht das Arbeitsverhältnis, sondern regelt allein die Modalitäten eines bereits beendeten Arbeitsvertrags.

Kann man den Auflösungsvertrag auch mündlich schließen?

Nein, ein mündlicher Aufhebungsvertrag ist nicht, da er gegen das Schriftformgebot des § 623 BGB verstößt

Muss der Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag fair verhandeln?

Ja, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 7. Februar 2019 - 6 AZR 75/18) gilt hier das Gebot des fairen Verhandelns. Dies gilt vor allem für den Arbeitgeber, der oft in der stärkeren Verhandlungsposition ist. Nutzt der Arbeitgeber eine Notlage (z.B. Krankheit etc) aus, um den Aufhebungsvertrag durchzusetzen, kann unter Umständen ein Grund für die Anfechtung vorliegen.

Ist der Aufhebungsvertrag unwirksam, weil der Arbeitnehmer unter Zeitdruck gesetzt wurde?

Nein, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht nicht. Nach dem BAG stellt allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig macht, stellt für sich genommen keine Pflichtverletzung dar.

Was kann der Arbeitnehmer machen, wenn der Aufhebungsvertrag nicht fair verhandelt wurde?

Der Arbeitnehmer kann bei dem unfairen Aushandeln des Aufhebungsvertrags - wenn er dieses nachweisen kann - den Aufhebungsvertrag anfechten. Dies ist aber richtig schwierig.

Bekommt man immer eine Sperre beim Arbeitslosengeld?

Der Grundsatz ist, dass es beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages in der Regel Probleme beim Arbeitsamt und eine Sperre beim Arbeitslosengeld gibt. Die Sperre ist der Normalfall, da der Arbeitnehmer seine Arbeitslosigkeit selbst verschuldet. Wird der Auflösungsvertrag dann noch ohne Einhaltung von Fristen - also sofort - geschlossen, ist die ein weiterer Sperrgrund.