Wenn ein Arbeitnehmer im Laufe eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ist zu unterscheiden zwischen einer Beendigung bis einschließlich 30.06. oder zu einem späteren Zeitpunkt, also ab dem 1.07..
Was ist bei einer Beendigung zum 30.06.?
Bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06., liegt eine Beendigung innerhalb der ersten Jahreshälfte vor. Selbst wenn die Wartezeit von 6 Monaten bereits (zum Beispiel im Vorjahr) abgelaufen ist, besteht hier noch kein voller Jahresurlaubsanspruch. Dies ist geregelt in § 5 Abs. 1 c des BUrlG.
kein voller Jahresurlaub beim Ausscheiden in der ersten Jahreshälfte
Von daher hat der Arbeitnehmer bei einer Kündigung zum 30.06. nur einen Teilurlaubsanspruch von ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.
Beispiel zum Urlaub beim Ausscheiden zum 30. Juni
Beispiel: Der Arbeitnehmer wird zum 31.05.2022 vom Arbeitgeber gekündigt. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer einem Mindesturlaubsanspruch in Höhe von 20 Urlaubstagen (5-Tage-Woche) für das gesamte Kalenderjahr. Da er aber in der 1. Jahreshälfte ausscheidet, besteht nur ein Teilurlaubsanspruch bis zum 31.05.2022.Es ergibt sich folgende Berechnung: 5 20 Tage ./. 12 Monate x 5 Monate = 8,33 Urlaubstage. Wenn der Urlaub abgegolten wird, dann wird er mit 8,33 Tagen ausgezahlt. Eine Aufrundung auf einen vollen Tag (also auf 9 Tage) findet nicht statt, da nur Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, dabei auf ganze Urlaubstage aufzurunden sind.
Was ist mit dem Urlaub bei einer Beendigung zum 1.07.?
Bei einer Beendigung zu einem Zeitpunkt nach dem 30.06., z. B. zum 1.07. (oder auch zum 31.07) ist die Rechtslage anders, wenn die Wartezeit von 6 Monaten schon abgelaufen ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt schon länger als 6 Monate bestanden hat. Hier gilt dann nicht die Spezialregelung des § 5 Abs. 1 c des BUrlG, da der Arbeitnehmer dann in der zweiten Jahreshälfte ausscheidet. Diese beginnt am 1.07. des jeweiligen Jahres.
Beispiel zum Ausscheiden zum 1.07.
Beispiel: Der Arbeitnehmer kündigt selbst zum 31.07.2022. Das Arbeitsverhältnis wurde am 1.01.2022 begründet. Urlaub hat der Arbeitnehmer für das Jahr 2022 noch nicht bekommen. Hier sind sowohl die Wartezeit (6 Monate) als auch das Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte (ab 1.07.2022) erfüllt. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer einem Mindesturlaubsanspruch in Höhe von 20 Urlaubstagen (5-Tage-Woche) für das gesamte Kalenderjahr und diese bekommt er auch, obwohl er nicht das ganze Jahr gearbeitet hat. In der Praxis wird dies sehr oft falsch gemacht. Arbeitgeber wissen dies oft nicht.
Bei einer Urlaubsabgeltung - welche nur nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses - zulässig ist, wäre von daher der gesamte Jahresurlaub (also 20 Tage) abzugelten. Unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer noch keinen Urlaub genommen hat.
Was ist mit übergesetzlichen Urlaub?
In welchem Umfang der Arbeitnehmer auch den Sonderurlaub/ übergesetzlichen Urlaub, den der Arbeitgeber über den Mindesturlaub gewährt, bekommt, hängt vom Arbeitsvertrag/ anwendbaren Tarifvertrag ab.
Gibt es dazu keine Regelung im Arbeitsvertrag so bekommt der Arbeitnehmer den kompletten Urlaub einschließlich des übergesetzlichen Urlaubs. Dieser wird dann so behandelt, wie der gesetzlichen Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz.
Beispiel zum übergesetzlichen Urlaub
Beispiel: Laut im Arbeitsvertrag hat der Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch pro Kalenderjahr von 30 Arbeitstagen. Es besteht eine 5-Tage-Woche. Der Arbeitgeber gewährt also zehn Tage zusätzlich an Urlaub (übergesetzlicher Urlaub). Im Arbeitsvertrag gibt es keine Regelung, was mit dem Sonderurlaub geschieht, wenn der Arbeitnehmer vorzeitig ausscheidet. Einen Tarifvertrag gibt es nicht.
Ergebnis: Der Arbeitnehmer erhält beim Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte, also zum Beispiel zum 31.8.2022 den kompletten Jahresurlaub, einschließlich des übergesetzlichen Urlaubs, also insgesamt 30 Urlaubstage.
Wenn es aber im Arbeitsvertrag eine "pro rata temporis"-Klausel gibt, dann ist die Rechtslage anders. Danach wird unterschieden zwischen den beiden Urlaubsansprüchen und gewährt wird dann beim Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte nur der gesetzliche Mindesturlaub, aber nicht der übergesetzliche. Dies ist zulässig.